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Der Bewegte Betrachter

Während die Futuristen Italiens und Kubisten in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts die Bewegung als Mittelpunkt ihrer Gemälde betrachteten, beschäftigten sich Mitte des 20. Jahrhunderts Videokünstler mit der Bewegung durch das Medium des Films, also mit vielen Bildern (Fotos), die, - im schnellen Frequenzablauf geschaltet -, zu einer gesamten Bewegung werden.

Hat damit die Videokunst die Malerei aus der Kinestischen Kunst verdrängt? - Nein  

Eine Fusion der beiden Techniken könnte bisher zu einem Film der verschiedenen Entwicklungsschritte eines Gemäldes führen. Hierbei jedoch handelt sich es dann um einen Film über Malerei, also eine Dokumentation über die Entstehung eines Originals und nicht um ein Original: Das Original wurde mehrfach in schnellen Frequenzen abfotografiert.  

Ein neuer Aspekt der kinestischen Malerei im 21. Jahrhundert kann nun sein, die Bewegung, die der Künstler im Gemälde vollzieht, in originalen Einzelwerken festzuhalten, um dann den Betrachter an den Einzelwerken mit Geschwindigkeit vorbeizubewegen.

Die Bewegung des Betrachters selbst wird ihm nun durch die Geschwindigkeit, mit der er sich an den Werken vorbeibewegt, ermöglichen, die Künstlerische Aussage der Bewegung im Bild zu erleben. Somit wird er mit seiner eigenen Bewegung Bestandteil dieser Aussage.

 - Bewegung im Bild und Bewegung des Betrachters werden eine Einheit. –

Die Definition der Bewegung ist das Zurücklegen einer Entfernung zwischen zwei Orten/Punkte in einer bestimmten Zeit. So bewegt der Künstler seinen Pinsel von einem Ort/Punkt zum anderen in einer bestimmten Zeit. Genau diese Zeit des Künstlers holt nun der Betrachter durch sein Bewegung auf. Er wird also durch seine Bewegung Zeuge der Bewegung/Pinselstrichs im Bild, wie er auch die Zeit des Schöpfers des Bildes erleben kann. Also gerade den Prozess des Künstlers, bei dem der Betrachter normalerweise außen vor bleibt, der aber im eigentlichem Sinne dem Akt der Kunst entspricht.

Ein Pinselschwung entwickelt sich vor dem Auge des Betrachters und setzt sich nach und nach zu einer Gesamtkomposition eines Gemäldes zusammen. Steht der Betrachter sonst vor einem vollendeten Gemälde und kann Schwung und Bewegung in seiner Phantasie nur „n a c h –vollziehen“, kann er in seiner Bewegung neben der Bewegung im Gemälde so nun auch die Schaffenszeit des Künstlers einholen und erlebt den Schaffensprozess.  

Um nun die Bewegung des Betrachters herzustellen, bieten sich zwei Transportmedien an: Ein U-Bahn-Wagon oder ein Karussell. (Kin –U- mat und Kinartussell). Im Gegensatz zum Film bewegt sich nicht das Medium, sondern der Betrachter. Hier und da ist Voraussetzung, dass der Betrachter 24 Bilder in der Sekunde wahrnimmt.

Bewegt er sich nun in einer Art Galeriesituation mit ca. 60 km/h und nimmt 24 Bilder auf 15m wahr, so dass er durch die Geschwindigkeit die Einzelbilder nicht mehr fixieren kann, entsteht durch den eintretenden Nystagmus (Richtblickeinstellung der Augäpfel durch schnell bewegte Objekte) der Eindruck einer fließenden Bewegung.

Beim Transportmedium der U-Bahn werden die Schachtwände zur Galerie. Die Einzelgemälde sind Sequenzen aus Seriografien, die aus technischen Gründen für den Gebrauch in U-Bahnen vergrößert reproduziert und damit beliebig oft vervielfältigt werden können. Die U-Bahnstrecke zwischen zwei Bahnhöfen wird somit zum Bewegungserlebnis der Fahrgäste.

Für Museen und Galerien erscheint es aus Platzgründen leichter, den Betrachter im Kreis als auf lange Strecken zu bewegen.

Irberseder 26.6.2003