Bildbesprechung
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Bildbesprechung des Kunsthistorikers Herrn Prof. Franz Schilke

erschienen im Kunstmagazin "Medizin + Kunst, 2, 13. Jahrgang, II. Quartal 2001"

 

H. PETER IRBERSEDER 

Beschäftigten wir uns bisher mit dem Werdegang und dem Werk im Allgemeinen des letztjährigen Leonardo – Preisträgers, des Malers und Bildhauers, Peter Irberseder, der seit nunmehr 4 Jahren ausschließlich von und für seine Kunst lebt und davor seinen künstlerischen Weg neben seiner Laufbahn als Arzt autodidaktisch beschritten hatte, so nehmen wir heute einmal konkret ein einzelnes Werk des Künstlers ins Augenmerk:

Es handelt sich um das achtteilige Bilderwerk „Gott in Indien", das sich mit den hinduistischen Gottheiten befaßt.

Hier zeigen wir auf, wie der Maler im Rahmen eines freien, nur thematisch vorgegebenen, Auftrags seine Kreativität nach intensiver Literaturrecherche und Studium einer ihm bis dahin weitgehenden fremden Religion freien Lauf läßt und es schafft, in seiner expressionistischen, kubistischen Ausdrucksweise - spannend und dekorativ zugleich - die überlieferte Geschichte der Gottheiten im Hinduismus zu erzählen.

Die zusammen ca. 5 Quadratmeter umfassenden Ölgemälde auf Leinwand, - also im weitesten Sinne ein Octachon - schmücken die Wände einer privaten Schwimmhalle.

Die Ölfarben, dominant preußischblau und goldocker, wurden in verschiedenen, sich ergänzenden Techniken auf die sandfarbene rauhe imprägnierte aber nicht grundierte Leinwand gebracht: Schwungvoll gespachtelte Farbmassen wechseln sich ab mit flächenhaftem Farbauftrag bis hin zu durchleuchtenden übereinander lasierten Farbschichten. Harte Konturen stoßen aufeinander, bilden Kontraste, die dann wieder durch weiche, fließende Farbübergänge ausgeglichen werden.

In diesen Strukturen ahnt der Betrachter Figuratives, das sich dem Auge erst bei näherem Hinschauen erschließt. Scheinbar Zufälliges entpuppt sich als genau Geplantes und Komponiertes. Schließlich eröffnet sich eine Geschichte, in der körperliche Wesen direkt und symbolisch in Beziehung treten.

Im Zentrum diese Werkes befindet sich das große Diptychon, „Dreifaltigkeit", (2x65x200cm). Es zeigt die Hauptgottheiten, Bramha, Shiva und Wishnu. Geht der Betrachter von hier aus nach rechts, stößt er auf eine zwei Meter lange (80cm hoch) Leinwandtafel, die sich mit den Inkarnationen Wishnus beschäftigt. Weiter nach rechts sieht der Betrachter ein kleineres Diptychon (2x30x100cm) mit dem Urmenschen Manu und seiner Frau. Vom zentralen Diptychon der Dreifaltigkeit aus nach links sieht man das Gemälde Ganesha, der Elefantengott , (50x100cm). Er ist der Sohn Shivas und der im nächsten Bild erscheinenden weißen Göttin, Shakti Paravati,(30x80cm).

Und weiter nach links folgt dann die letzte Bildtafel, Nirwhana, (18x80cm). Nachdem wir uns nun einen Überblick verschafft haben, begeben wir uns auf die Fährte des Künstlers und versuchen diese in Bildern erzählte Geschichte genauer zu erfahren und indem wir das tun, werden auch wir ein bißchen mehr über die Götter im Hinduismus wissen, - wenn auch nur über die Wichtigsten. Denn hätte der Künstler den Ehrgeiz besessen, allen, der unzähligen Gottheiten in den überlieferten heiligen Schriften, u.a. den Veden, gerecht zu werden, wäre das Werk von den Ausmaßen sicherlich kilometerlang geworden, und er hätte sich für den Rest seines Lebens damit befassen müssen.

Das „Dreifaltigkeits"- Bild zeigt über allem schwebend den Übergott „Mahavishnu", dargestellt als tausendblättrige Lotusblüte, schwimmend auf dem kosmischen Ozean. Der Maler gibt dem Ozean ein stürmisch tiefes Blau, der sich im geistigen Auge des Betrachters über die Abstände der benachbarten Bildtafeln hinweg in diese hinein fortsetzt. Mahavishnu nun erschuf aus seiner Mitte die drei Hauptgötter, Bramha, verantwortlich für die Schöpfung, (Bildmitte), Wishnu, zuständig für die Erhaltung, (rechts) und Shiva, Gott der Zerstörung und Erneuerung, (links).

Getreu den Überlieferungen empfindet der Künstler Bramha als Weltschöpfer, mit dem Überblick, symbolisiert durch die vier Köpfe. Er sitzt auf seinem Reittier, dem Schwan, „Hamsa" im Kosmischen Ei. Shiva wird tanzend auf seinem Reittier, dem blauen Stier dargestellt. In seinen vier Händen hält er die typischen Embleme seiner Macht: Bogen, Trommel, Dreizack und Horn und ist bekleidet mit einem Tigerfell. Über seinem Kopf zeichnet sich im blauen Ozean das Symbol der Linga (Phallus) ab, das die Verehrung als großer Zeugungsherr unterstreicht. 

Wishnu ist blauhäutig, mit seinen Emblemen Lotus, Diskus, Keule und Muschel, als Zeichen der Erhaltung, sitzt er auf seinem Reittier, dem Adler, „Garuda", dessen Schwingen sich analog den Ozeanwellen nach rechts im nächsten Bild fortsetzen. Darunter symbolisiert Irberseder dessen Macht durch die tausendköpfige Weltschlange, „Ananta" .

Nach den Schriften ist dieser Gott auf Erden bereits neunmal in tierischer oder menschlicher Gestalt erschienen. Diesem Umstand widmet Irberseder die nächste Längstafel, die sich vom kompositorischen her gesehen, direkt aus den Linien und Formen des Abbildes Wishnus und seinen Reittieren ableitet: Unter einer großen Welle taucht Wishnu als Fisch (links unten) hervor, im Bild gerade an Rücken- und Schwanzflosse zu erkennen. Diese Darstellung symbolisiert die Rettung des Menschen - Stammvaters Manu vor der Sintflut. Rechts daneben holt Wishnu als Eber die von einem Dämon in die Meerestiefe gestürzte Erde herauf. Wie in Suchbildern erkennt man plötzlich Wishnus Gestaltwerdungen in Form eines Zwerges (links oben), einer Schildkröte, eines Löwen. Ihre mythologische Bedeutungen würden den Rahmen dieser Bildbesprechung sprengen. Folgend nach rechts erscheinen uns in Irberseders Darstellung die Herrscher Rama Tschandra und gleich daneben Krishna, der zu einem eigenen Religionsführer wurde. Als Heldenjüngling betörte er nach den Überlieferungen alle Frauen mit seinem Querflötenspiel. 

Die sich fortsetzende Gestaltung zeigt schließlich Buddha unter dem Feigenbaum. Auch aus dieser Inkarnation Wishnus bildete sich eine eigene Religion, der Buddhismus. Die Darstellung zeigt Buddha vor der Erleuchtung, symbolisch also ohne dem typisch dritten Auge und leitet geschickt zur antiken Buddha - Bronze genau unterhalb des Bildes über. Im rechten oberen Bildabschnitt zeigt der Künstler nun die letzte, der Sage nach noch ausstehende Inkarnation in Gestalt des Kalki auf einem weißen Pferd, der bei Ankunft die Welt zerstören wird, hier symbolisiert durch den erhobenen Säbel.

Im anschließenden kleinen Diptychon erfahren wir den Urmenschen Manu, (vielleicht vergleichbar mit unserem Adam?), der gerettet vor der Sintflut in seine Fußspuren Schmelzbutter und saure Milch vergoß, und als dieses sich mit Meerwasser mischte, eine Frau erhielt, mit der er das Menschengeschlecht gründete.

Um nun wieder zur Götterwelt zurückzukehren, gehen wir wieder zum Ausgangspunkt nach links zurück, um beim Sohn Shivas anzukommen. Ganesha, der Elefantengott, Gott der Weisheit und der Kunst, erhält von Irberseder ein eigenes Bild, in dem er in kubistischen Strukturen erstmal versteckt erscheint, und sich erst allmählich dem Betrachter erschließt. Sein Elefanten - Kopf, den er zur Wiederbelebung erhielt, nachdem Shiva ihn im Zorn enthauptet hatte, taucht im Blau des Ozeans hinter kontrastreichen kubistischen Strukturen aus der Tiefe auf und zeigt schließlich sehr detailgetreu neben der großen rundlichen Krone auf und fügt sich fließend auf den sitzenden erdfarbenen Leib. Gerade in diesem Gemälde erfährt man die Spannung, die Irberseders Darstellungskraft sehr eigen ist: Er kombiniert eine abstrakte Architektur aus Farben und Formen mit Gegenständlichem, das sich dahinter versteckt. 

Zitat: 
„Bereits in meiner Kindheit faszinierten mich in der Hoftoilette des Bauernhofs meiner Großeltern die wohl durch Frosteinwirkung krakele-artig gesprungenen weißen Fliesen an den Wänden. Meine Sitzungen dort dauerten meist länger als nötig, da meine Phantasie mit mir durchgehen durfte, und ich immer neue Gesichter, Tiere und Objekte in den fadenförmigen Strichführungen der Risse entdecken konnte, als hätte sie ein Maler angelegt."

Und eben diese Phantasie legt uns der Künstler in seinen Werken zu Füßen. Und es liegt an uns, das Angelegte zu entdecken, oder mit dem eigenen Pinsel unserer Phantasie andere Gestalten und Figuren hineinzumalen.

Wieder zurück zum vorletzten Bild der besprochenen Reihe, schauen wir auf die weiße Göttin, Shakti Paravati, mit ihren sinnlich fülligen Brüsten, das Ende der blauen Ozeanwelle wie ein Seil in ihrer linken Hand haltend. Sie steht für das weibliche Prinzip des Mütterlichen, Gebärenden. In der Mythologie hat sie wie Shiva den Doppelaspekt von Erhaltung und Zerstörung, letzterer verkörpert durch die schwarze Göttin Kali, (in der heutigen Psychologie bekannt als Kalisyndrom). Im Bild erscheint sie rechts als dunkler Schatten.

Das letzte Bild, behandelt das Nirwhana. Vom Künstler symbolisch, bezogen auf unsere Gewohnheit von links nach rechts zu lesen, an den Anfang gesetzt, zeigt es völlig abstrakt, also gegenständlich nicht faßbar die Tiefe einer Dimension, in der das lebende Wesen nach der Überlieferung die höchste Glückseligkeit im Nichtsein erfährt.

Wir denken, daß dieser Ausflug in diese sehr spezielle Bildwelt ein gutes Beispiel ist, die Schaffenskraft, die intellektuelle Beleuchtung eines Themas und die daraus resultierende bildnerische Umsetzung Irberseders aufzuzeigen. Und nebenbei erhielten auch wir einen kleinen Überblick über eine Glaubenskultur, die uns auf unseren Reisen in fernöstliche Länder an vielen Kultstätten und Tempeln begegnet.

Prof. Dr. Schilke, Medizin + Kunst, März 2001